02.10.2016
Jitter’s Wunderblock No. 23
KUNST & GEFLÜCHTETE
Im Oktober ist Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Kunst- und Kulturwissenschaftler, zu Gast bei Jitters Wunderblock – im Gespräch mit Andreas Rauth und Marc Schweska im CLB Berlin.
Nicht nur Ai Wei Weis Rettungswesten-Säulen für das Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt oder die umstrittene Aktion »Flüchtlinge fressen« des Zentrum für politische Schönheit belegen das Interesse der Kunst an dem Thema Flucht und Geflüchtete. In sämtlichen Kunstsparten, von der Aktionskunst über Installation und Theater bis hin zum Kinderbuch entwickeln Künstler Konzepte zur Integration von Geflüchteten, reflektieren die politische Situation und setzen sich mit individuellen Schicksalen auseinander.
Bei diesem ebenso aktuellen wie sensiblen Thema stellt sich die Frage nach den Mitteln und Methoden mit besonderem Nachdruck. Kann Kunst hier überhaupt angemessen reagieren und ihre viel beschworene integrative Kraft entfalten, oder ist ein Scheitern schon vorprogrammiert? Einerseits scheint die alte Verbindung des Ästhetischen mit dem Ethischen der Kunst hier geradezu ein Vorrecht einzuräumen. Doch sind die Bedingungen, unter denen sich das Schöne mit dem Guten als Ideal gesteigerter Lebensform empfahl, längst durch die Erosionsrinnen der Geschichte abgeflossen. Dafür hat sich aber der mit Beginn der Moderne neu entstandene Schulterschluss mit dem Anderen – und damit dem Kern des Flüchtlingsthemas – als die vielleicht fruchtbarste Allianz im Verlauf des zwanzigsten und beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts erwiesen, die der Kunst zudem eine neue moralisch-politische Grundierung verliehen hat.
Wolfgang Ullrich übt in seinem Perlentaucher-Essay »Kunst und Flüchtlinge: Ausbeutung statt Einfühlung« Kritik insbesondere an Werken von Großkünstlern wie Ai Wei Wei und Olafur Eliasson. Der Wunderblock nimmt den Faden an dieser Stelle auf und fragt, ob und wie die spezifischen Kräfte der Kunst in einem Gemenge aus Anteilnahme, Kritik, Institutionen, Markt und Trends ihr Potential entfalten können.
Von den zahlreichen Veröffentlichungen Wolfgang Ullrichs seien hier nur die letzten erwähnt: Große Sätze machen. Über Bazon Brock, herausgegeben von Wolfgang Ullrich und Lambert Wiesing, München: Fink 2015; Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust, Berlin: Wagenbach 2016. Mehr Info gibt es auf Ideenfreiheit, dem Blog von Wolfgang Ullrich.